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  • MARIA GRÜN

…es bläht, es arbeitet, es vergrößert und verkleinert sich, es ist peristaltisch!


Detail 'Organ' 2015 Silikon, Kühlbox, Styropor, Getriebemotor, Bewegungsmelder, lifesize



… es bläht, es arbeitet, es vergrößert und verkleinert sich, es ist peristaltisch, es ist mechanisch - aber es lebt. (Aloisia Moser, Sprachphilosophin)


Das eigene körperliche „Innenleben“ kann durch div. medizinische Techniken analysiert, durchleuchtet und in Zahlenwerten vergleichbar gemacht werden, dennoch bleibt es abstrakt.

Unsere „Innereien“ mit all dem Schleim und Körperflüssigkeiten sind immer noch Stoff für Horrorfilme, der „Körper-Innen-Raum“ scheinbar „außer-irdisch anders“.

Wer Yuri Ancarani´s Film „DA VINCI“ gesehen hat, weiß sofort, was ich meine. Er zeigt diese Entfremdung besonders deutlich. Das Kunstprojekt begleitet uns in die Welt des „Roboter-unterstützten-Operationssystem“: Da Vinci. Es lässt uns in die Körperinnenwelt einsteigen. Eine Operation aus der Sicht des Körper-Innen-Raums erzählt.


Ich habe mich den verschiedenen Stadien der Körperlichkeit im dysfunktionalen Kontext gewidmet. Werden doch die inneren körperlichen Vorgänge erst „real“ und wahrnehmbar durch eine Art „Funktionsstörung“, also bei Schmerzen und körperlichen Ausfällen. Sie sind ein uns unbewusster Teil unseres „Selbst“ bis sie im Schmerz oder über eine ärztliche Diagnose in unser Bewusstsein rücken.


Den Anfang meiner langjährigen Reihe „Stoffwechselmaschine“ machte das mechanisierte Objekt "Organ".

Aloisia Moser, eine Sprachphilosophin bespricht meine Arbeit „Organ“ – den Magen in der Kühlbox – sehr eindrücklich. Sie erkennt, dass es um eine Visualisierung von „etwas“ geht, das nicht „benannt werden will“. Man kann es nicht sehen, sondern nur spüren. „Etwas“, das einem manchmal unheimlich ist, weil es ganz plötzlich ins Bewusstsein vordringt. Der eigene Magen wird nur durch seine Bewegung wahrgenommen. Erst das andersartige Bewegungsverhalten, die Fehlfunktion, lenkt die Wahrnehmung auf das ansonsten verdrängte Innere, auf das, was bis dahin selten spürbar und selten hörbar war.


„… Die Farbe des Etwas, die Fleischfarbe des Etwas verführt—das ist das Arge. Die Fleischfarbe des. Die Fleischfarbe des Etwas, es bläht sich auf, es will etwas sein, es ist organisch—das ist der Titel „das Organ.“ Aber es ist mehr als ein Organ, es ist Etwas, es ist fast wie, es ist uns ähnlich. Das ist das Problem, es bläht sich, es peristaltet vor sich hin und es ist uns ähnlich. Es ist fast so als wäre es ein Teil von uns der da drin liegt wie in einem Sarg noch am Leben gehalten, mechanisch auf und zugeblasen—das Etwas, das Organ in der giftgrünen Kühlbox zwischen den leicht türkisgrünen Pebbels …“

(Aloisia Moser, Sprachphilosophin/ Auszug aus dem Text „Maria Grün: Organ“)


Meine skulpturalen Arbeiten handeln vom menschlichen Körper, spezialisiert auf Silikonguss experimentiere ich mit Bewegungselementen an einer möglichst organischen Umsetzung des Skulpturalen. Es entstehen hyperrealistische Körperfragmente.

Ich widme mich dem Nachbau des menschlichen Körpers und seinen Zuständen mit technischen Mitteln.

Die Bewegungsmelder, Motoren und Ventile, die in den Körperteilen eingebaut sind, „beleben“ die Skulpturen mit ihren mechanisch-organischen Geräuschen.

Gemeinsam mit Mechatronikern experimentiere ich, wie die gewünschten Bewegungen umgesetzt, die Motoren angebracht, im Objekt verankert werden.


Einen großen Part meiner Arbeitszeit widme ich der Darstellung von "Haut" auf hyperrealistischer Ebene.

Das Silikon, mit dem ich arbeite, ist im Ausgangszustand transparente Gussmasse. Im Laufe der Zeit habe ich viel mit Farbkombinationen in der Pigmentierung experimentiert und mein Gussverfahren weiterentwickelt, um eine möglichst "natürliche" und gleichzeitig „malerische“ Oberfläche zu erzeugen. Mit Poren, Blessuren, Adern, Muttermalen, ... und menschlichem Haar.


Detail 'LAB EYE' 2021 Silikon, Glasaugen, Arduinoboard, Gips, Silikonhandschuh, Servomotor

Meine Herangehensweise der Gusstechnik ist dennoch abzugrenzen vom „klassischen Hyperrealismus“ eines Ron Mueck oder Sam Jinks, auch deswegen, weil ich den menschlichen Körper in Form des Fragments aufgreife.

Der Kunstgriff des Fragmentierens lässt mich „zoomen“, es gibt mir die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperzustände oder Körperbereiche zu lenken. Wie über eine Lupe z.B. auf ein uns „fremdes“ Körperinnenleben zu blicken.



Detail 'Mollusk' 2018 Silikon, Beton, Pumpe, Schlauch, Metallgestell, lifesize


Meine Arbeiten entwickeln sich entlang Mary Shelleys „Idee der Laborarbeit“, einen menschlichen Körper künstlich zu erschaffen. Sie beziehen das „- vielfältige Ökosystem der Maschine - ein, das unsere Lebenswelt umschließt und in sie eindringt. Die Maschinen sind nicht nur Teil eines „Außen“, sie dringen auch in das Innere des Körpers. Sie werden zu Prothesen, die uns Handeln und Wahrnehmung ermöglichen, erweitern und sukzessive ersetzen.“ (Jakob Gurschler, aus dem Ausstellungstext zu „Muta Natur“)


Ich thematisiere die naturwissenschaftliche Forschung und den Versuch, „natürliche Prozesse“ zu verstehen. Den technischen Elementen unserer Lebenswelt, der Maschine als „Backup-System“ wird eine besondere Stellung eingeräumt. Die maschinelle Unterstützung des Körpers in der hochtechnologisierten Medizin, sowie die technischen Rekonstruktionen des Körpers in Form von Prothesen wie Zahnimplantaten, Endoprothesen … sind Teil einer Lebenswirklichkeit.


Donna Harraways Voraussage aus 1980 wurde eingelöst: „Im späten 20. Jahrhundert, in unserer Zeit, einer mythischen Zeit, haben wir uns alle in Chimären, theoretisierte und fabrizierte Hy­bride aus Maschine und Organismus verwandelt, kurz, wir sind Cy­borgs. Cyborgs sind unsere Ontologie. Sie definieren unsere Poli­tik ... Auch die moderne Medizin ist voller Cyborgs, Verkopplungen aus Organismus und Maschine, in denen beide als programmierbare Geräte erscheinen, die mit einer Intimität und einer Macht mitein­ander verbunden sind, wie sie die Geschichte der Sexualität nicht hervorzubringen vermochte.“ (Donna Harraway, Cyborg Manifest)


Dennoch bleibt der Körper in seiner Grundkonstellation derselbe, wie Jan Fabre beschreibt: „It is 2017 after Christ and we are still living in the Middle Ages. And we are still living with the same body that is wet inside and dry outside …”



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